Blog Abenteuer Gemeinschaft

Gemeinschafts-Blog

Eine der interessantesten Erfahrungen am Leben in Gemeinschaft ist die, dass sich der Bedürfnishorizont verschiebt vom Haben zum teil-haben. Aufgewachsen und sozialisiert bin ich in einer Welt, in der es unhinterfragter Standard ist, dass man alles, was man braucht und nutzen will, selbst besitzen muss. Jetzt lösen sich diese Kategorien auf und machen immer mehr einem vernetzten Weltbild und Lebensalltag Platz. In unserem Haus bin ich gleichzeitig Mieter und Vermieter (über unseren Hausverein). Das Grundbedürfnis, einen Raum und Platz zu bewohnen, den ich selbst (mit-)gestalten kann, ist erfüllt – und mehr als das: Es wird bereichert durch das, was die anderen mit hineinbringen an Energie und Gestaltungsfreude. Eine gemeinsam finanzierte, gut ausgestattete Werkstatt eröffnet dem Schaffensdrang freie Bahn.

Das Lebensgefühl, das so sehr ans „Mein …“ gebunden war, verändert sich. Mit den Jahren verstärkt sich das Gefühl, in dem ganzen Lebensgeflecht eine vorübergehende Erscheinung zu sein. Ich darf diesen Platz mit nutzen und pflegen und schließlich übergeben an den nächsten, der diesen Raum einnimmt. Glücksgefühle beim Gedanken daran, dereinst selbst Kompost zu werden für das Neue was wächst, markieren vielleicht die höchste Stufe dieses ökologischen Bewusstseins.

Einstweilen üben wir im vernetzten Alltag die Mitverantwortung. „Weißt du, wo der Bandschleifer hingekommen ist?“ „Der war doch eh kaputt.“ Wahrscheinlich muss man von dem ganzen Geld, das man einspart, weil man nicht alles selbst kaufen und unterhalten muss, einfach einen gewissen Teil einpreisen für unerklärlichen Schwund und natürlich allfälligen Verschleiß. Der gelegentlich aufflackernde Gedanke „Mir wäre das nicht passiert…“ könnte auch als Ego-Trick der eigenen Psyche entlarvt werden. In einem vernetzten Organismus macht er jedenfalls wenig Sinn. Magen an Gaumen: „Immer muss ich deine Gelüste auslöffeln!“ Leber: „Frag mich mal…!“ Gaumen: „Ihr seid einfach unfähig. Ich biete euch hier das Leckerste in Hülle und Fülle und kriege keinerlei Würdigung. Mir reicht’s, ich zieh aus!“

Da schwebt die Mitbewohnerin vorbei mit einem duftenden Aufgebot ihrer Küchenkunst. Heiß, fettig, unwiderstehlich. Gaumen: „Leute, ich bin sicher, wir finden einen tragfähigen Kompromiss.“

Gemeinschaft ist Leben in Veränderung