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Gemeinschaftsbildung für Wohnprojekte

Gemeinschaftsbildung

Gemeinschaftsbildung für Wohnprojekte

von Richard Scheibel

Gemeinschaftsbildung ist das zentrale Anliegen von Wohnprojekten, Baugruppen und Wohn-Initiativen. Die Bauphase, Finanzierungsfragen und die rechtliche Aufstellung sind nicht stressfrei. Diese Punkte lassen sich jedoch auf fachlicher Ebene gut klären und nach bewährten Mustern abwickeln.

Der Aufbau der Gemeinschaft berührt viele emotionale Punkte. Die sind oft nur mit Durchhaltevermögen und hoher persönlicher Kompetenz zu beherrschen. Alle Mitwirkenden sind dabei gut beraten, mit der Gruppenentwicklung sehr sorgfältig umzugehen. Denn eine gute Gruppendynamik verkürzt die Projektzeit, spart Kosten beim Bauen und vor allem: legt den Grundstein für das eigentliche Ziel, das zufriedene gemeinschaftliche Leben im Wohnprojekt.

Das Konzept als Basis des Gemeinschaftsprojekts

Entscheidend für die Wohnprojekt-Gruppe ist die frühzeitige Einigung auf ein verbindliches Konzept. Darin ist festgehalten, wie eigentlich zusammen gewohnt werden soll und welche konkreten Ziele das Projekt verfolgt. Also beispielsweise die Frage, wie individuell oder wie gemeinschaftlich das Wohnen gestaltet wird. Welche gemeinsamen Aktivitäten geplant sind etwa, welche Gemeinschaftsräume vom Waschmaschinenraum über den Versammlungs-Treff bis zur Werkstatt es geben soll. Oder Randbedingungen, wie beispielsweise ein autofreies Grundstück oder der Umfang des ökologischen Bauens. Oder Aufgaben der Gemeinschaft nach aussen, wie zum Beispiel gemeinsame Kinderbetreuung, Kantinenbetrieb für Gäste, gemeinsame Zimmervermietung usw.

Ausgehend von einer solchen Zielbeschreibung lässt sich die Auswahl Interessierter vereinfachen, die Anforderungen an den Bau werden deutlicher und die Eckpunkte der Finanzierung nehmen schneller Gestalt an. In diesen Bereichen machen Projektgruppen sonst oft die Erfahrung, dass Diskussionen immer von neuem beginnen, unklare Konzepte beständig neu aufgestellt werden und die Schwelle, konkret mit der Projektumsetzung zu beginnen, sehr hoch ist.

Eine frühe Festlegung der Ziele sehen Wohnprojekt-Gruppen allerdings meist mit Skepsis. Niemand soll ausgegrenzt werden, alle Ideen sollen Platz haben und ein breites Spektrum an finanzieller Leistungsfähigkeit abecken. Und wenn es schon konkreter losgegangen ist, kommen Ängste dazu, wegen der noch zu geringen festen Vergabequote von Wohnungen in wirtschaftlich bedrohliches Fahrwasser zu geraten. Das kostet die Beteiligten Energie und nicht selten führt es dazu, dass ursprünglich stark engagierte MitstreiterInnen sich überfordert fühlen, sich aus der Leistungsphase herausziehen oder sogar aussteigen.

Gemeinsame Ziele, klare Struktur, transparente Kommunikation

Wichtig ist der schnelle Aufbau einer Gruppe und die Formulierung gemeinsamer Ziele auch für die spätere Wohnphase. Erst im tatsächlichen gemeinsamen Wohnen zeigt sich endgültig, wie gut die Vorbereitung war. Nur wer sich selbst eindeutig und unmissverständlich zu den Zielen bekannt hat und auch bereit ist, sie aktiv zu vertreten, wird später ohne Berührungsängste mit den Mitwohnenden Gemeinsamkeit entwickeln können. Nur wer alle Aspekte des Bauens und der Finanzierung transparent diskutiert hat, wird später entspannt wohnen können.

Für die Projektgruppe bedeutet das, dass sie mit einer schnellen Aufteilung gut aufgestellt ist. Die Start-AktivistInnen bilden den Kern. Der hat früh die Ziele zusammengestellt und konzentriert sich dann auf die Umsetzung. Die Werbung von Interessierten wird davon getrennt, weil dabei das Konzept immer wieder neu erläutert werden muss. Das lässt sich besser delegieren. Der Entwicklungs- und Planungsprozess sollte einen klaren Rahmen bekommen, indem die Diskussionen, die Entwicklung von Ideen und vor allem die Entscheidungen nach einer festen Struktur ablaufen. Und es sollte einen möglichst präzisen Zeit- und Ablaufplan geben.

Projekte von Mitwirkenden, die sich schon lange und intensiv kennen, werden auf einen solchen relativ engen Rahmen verzichten können. Gruppen, in denen sich die Beteiligten erst kennen lernen und die gegenseitigen Bedürfnisse noch unklar sind, werden ihr Projekt mit einem solchen Rahmen jedoch schneller und zuverlässiger zum Ziel führen.

Externe Projektbegleitung hilft Konflikte vermeiden

Gemeinschaften für das gemeinsame Wohnen und Arbeiten vereinen in der Regel eine Menge persönlicher Kompetenzen. Gebaut und ein Projekt entwickelt haben sie aber meist noch nicht. Von Anfang an sollte eine Gruppe daher festlegen, inwieweit sie sich Hilfe von aussen holt. Das ist im einfachsten Fall eine Projektbegleitung. Sie passt auf die Gruppendynamik auf und steuert behutsam den gemeinschaftlichen Prozess. Es kann aber auch eine Komplett-Betreuung bedeuten, die ebenfalls Aufgaben der Bauplanung, der Finanzierung und der aktiven Interessierten-Werbung übernimmt.

Wichtig ist das, weil es noch einen wesentlichen internen Konflikt zu vermeiden gilt. Wenn einzelne Gruppenmitglieder Steuerungsfunktionen und damit eine Sonderstellung in der Gruppe einnehmen, werden sie nicht mehr als gleichwertige PartnerInnen wahrgenommen. Das führt nicht selten zu Misstrauen oder sogar Vertrauensbrüchen, die trotz guter Absicht die Gruppendynamik zerstören. Eine neutrale Begleitung von aussen vermeidet, dass die Gemeinschaft in eine solche, nicht leicht zu bewältigende Situation kommt.