Einblicke

Mietmodell in Köhlen

29487 Luckau

koehlen

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Hier wird man mindestens 90!

Es ist Jahrzehnte her, dass sich Annette mit ihrem damaligen Mann und einer Freundin das Haus im Rundling kauften. Auf dem 10.000qm großen Grundstück befinden sich zwei große Gebäude, um das vordere, damals ausgebaute Wohnhaus gab es aber einen Erbschaftsstreit. So konnten die drei 1980 vorerst nur das hintere Haus samt eines Teilgrundstücks erwerben und begannen mit dem Ausbau der damaligen Scheune. Vier Jahre später konnte mit dem Kauf des vorderen Gebäudes und weiteren Flächen das alte Grundstück wieder zusammengeführt werden. Man investierte, gestaltete und sanierte, „wir haben ganz viel selbst gemacht“, erzählt Anette. Im Dachgeschoss des Haupthauses wurde eine kleine Wohnung für die Freundin hergerichtet, in den unteren Teil zogen damals ihre Eltern ein. Es war eine Entscheidung „für immer“. Der große Garten versorgte die Bewohner*innen, für viele Jahre war es familiär.

Doch nachdem die Eltern gestorben waren, Annette und ihr Mann sich getrennt hatten und ihre Freundin ausgezogen war, blieb sie allein in der Verantwortung für den Hof. Über viele Jahre hatte sie aber bereits sehr gute Erfahrung mit Mieter*innen gemacht. „Haus, Hof und Garten sollen nicht verwahrlosen, das ist mein Anliegen“, sagt sie – und das klappt sehr gut. So haben schon viele Menschen an diesem wunderschönen Platz gelebt. Es gab einige Herausforderungen, aber grundsätzlich „läuft das alles schön“, resümiert die Vermieterin.

„Wir leben hier schön und bewusst“

Heute ist man hier wieder familiär miteinander. Dass Eva und Heinrich vor über fünf Jahren hierher gefunden haben, „das war ein Glücksfall“, sagt Eva. Sie riefen Annette von München aus an, diese empfand schon am Telefon Sympathie für die beiden und stellte als einziges Kriterium: „Seid ihr gegen Atomkraft?“. Ja, das sind sie – und waren dann „völlig geflashed“ von der gemütlichem Wohnung, dem schönen Grundstück und dem herzlichen Miteinander. So stand dem Bezug des Haupthauses nichts mehr im Wege. Marten, ein jahrzehntealter Freund von Eva und Heinrich, hütete dann immer mal wieder deren Wohnung ein und lernte Annette kennen. Als die Wohnung im Dachgeschoss vor ein paar Jahren frei wurde, zog er ein. „Wir leben hier schön und bewusst“, sagt er. Für Boris wiederum ist die Gemeinschaft wohl nur eine Zwischenstation. Doch auch ihn und seine Söhne kennen Eva und Heinrich seit Jahrzehnten.

Entstanden ist eine sehr herzliche Atmosphäre und ein netter Umgang miteinander. Es ist kein „konventionelles Mietverhältnis“ sondern ein freundschaftliches entstanden. Manche teilen ein Auto, man trifft sich gern zu Kaffee und Kuchen, Lagerfeuer oder auch mal zur Whiskeyprobe. Wenn mal etwas nicht rund läuft, dann bespricht man es halt. Natürlich verbindet sie auch das große Grundstück, denn schließlich ist hier viel zu tun – und alle fassen mit an, soviel sie können. Boris zum Beispiel ist ein talentierter Handwerker, der „mal eben“ einen Holzschuppen in den Garten zaubern kann. Eva kocht immer wieder in großen Töpfen und versorgt dann alle anderen Mitbewohner*innen mit Essen. Marten will sich selbst nicht als Hausmeister bezeichnen, „er kann aber einfach alles“, lacht Anette. Letztlich ergibt die Mischung der Menschen auf dem Hof eine klasse Kombination: Als kürzlich ein WC-Spülkasten kaputt war, hat Eva einen neuen gekauft, Marten ihn installiert und Anette hat ihn bezahlt. Und manchmal gibt es als „Wertausgleich“ statt Geld auch eine Massage…

Aus einer sehr anstrengenden Gemeinschaftsaktion wurde am Ende etwas Schönes: Eine riesige Eiche des Nachbarn krachte bei Sturm in den Gemüsegarten. Es entstand viel Schaden an den Beeten, danach viel Feuerholz und aus Teilen des Stamms eine wunderschöne Gartenbank. Dank Annettes liebevollem Grünen Daumens blüht es im Sommer drumherum. Mit einer Tasse Tee sitzt man hier oft.

„Der Landkreis ist etwas Besonderes“

Warum sie alle im Wendland gelandet sich? Ein wichtiger Aspekt war damals der Widerstand gegen die Atomanlagen in Gorleben. In den Anfängen kamen Anette mit ihren damaligen Mitstreiter*innen aus Hamburg in den Landkreis gefahren um an den Demonstrationen teilzunehmen. Als dann die vielen Menschen zu den Demos kamen, „haben tausende gesehen, dass der Landkreis etwas besonderes ist“, erzählt Annette. Denn das Wendland ist schließlich viel mehr als nur Gorleben. Hier werde bewußter konsumiert, man ist sehr gut mit Gleichgesinnten vernetzt und nicht zuletzt gibt es hier „gutes Essen“ – um nur einige Aspekte zu nennen. Wenn es einem hier schlecht geht, dann kümmert sich immer jemand.

Vor allem für das Alter ist diese Voraussetzung natürlich ein großer Vorteil. Man wird hier nämlich mindestens 90 Jahre, wird immer mal wieder (halb im Spaß) gesagt. Der Hintergrund ist, dass drei Mitbewohner*innen dieses stolze Alter erreichten.

Text und Fotos: Kina und Jan Becker