Einblicke

Siedlungsgemeinschaft Buchhorst Garten

29471 Gartow

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„Wir machen das anders“

Leben mit 60+ im Buchhorst-Garten

Es dreht sich doch bei vielen um immer die selbe Herausforderung: Die Kinder sind aus dem Haus, nun sitzt man in einem riesigen, ungedämmten Wohnblock, der im Alter überfordert. Etwa 1990 taten sich deshalb 50-60 Menschen aus dem Widerstand gegen die Atomanlagen zusammen. Alle vereinte die Vision eines gemeinsamen Alt-werdens. Alternative Energien und Konzepte wie das Leben in großer Gemeinschaft standen genauso im Fokus wie altersgerechtes Wohnen.

„Wir hatten eine andere Idee vom Älter-werden, wir wollten uns ein gemeinsames Nest bauen. Und ein Netz, das genügend Halt für alle Beteiligten bieten soll, selbst wenn einmal Pflege im Alter nötig wird“, berichtet Klaus Pohlandt von der Motivation für das Projekt „Buchhorst-Garten“ bei Gartow. „Es kann schließlich jeden treffen.“

Lange und teilweise sehr schwierige Diskussionsprozesse begannen. Für ihre Vision haben Klaus und seine Mitstreiter*innen beeindruckend langen Atem bewiesen. Allein die Planungszeit betrug 15 Jahre. Die Herausforderungen waren auch groß, denn die kleine Siedlung liegt Mitten im Grünen, ein Teil des ehemaligen Schlossgartens, im Landschaftsschutzgebiet. Dann kam unter Umweltminister Trittin im Jahr 2000 der Baustopp im Bergwerk Gorleben, viele Bergleute verkauften ihre Häuser, die Immobilienpreise waren im Keller. Damit schrumpfte die Gruppe der Wendländer*innen, die neu bauen wollten.

„Egal wie, wir kriegen das hin!“

Der Prozess war „total problematisch“ und mühsam, erinnert sich Klaus. Anspruchsabbau war nötig. 400 Meter Straße wurden gebaut, alle Baugrundstücke mit Leitungen erschlossen, viel Geld ausgegeben. Aber die Zuversicht wurde nie verloren.

Als erster des kleinen Dorfes konnte Klaus 2009 in seine Doppelhaushälfte einziehen. Dass von der damaligen Gruppe nur noch 10 Leute übrig sind und sich auch von Teilen der großen Vision verabschiedet werden musste, damit hat er neben vielen anderen Veränderungen heute „seinen Frieden gefunden“. Zielgruppe für die Neubauten wurden statt der Widerständler*innen zum Beispiel eher „Städter“, so wie Fokko Schulze. Er kam vor gut sieben Jahren aus Hessen ins Wendland. Das Konzept sprach ihn an, seine Frau und er suchten eine Gruppe, die „im Alter aufeinander Acht gibt“. Nun haben sie sich ihr „letztes Haus“ gebaut, „so wie es uns gefällt“.

Neben handwerklichen Fähigkeiten haben alle in den letzten Jahren auch viel über Menschen und Gruppenprozesse gelernt. Ein manchmal auch „bitterer Lernprozess“, sagen Fokko und Klaus. Um Ausstiegsszenarien etwa – was, wenn ich mein Haus einmal verkaufen will oder muss – wird immer wieder debattiert. Da es sich um eine Gruppe einzelner Eigentümer*innen handelt, wird der Gemeinschaft zumindest ein Vorkaufsrecht eingeräumt. Doch wer entscheidet letztlich über den Käufer für das vakante Haus? Was, wenn jemand aus den gemeinsamen Energielieferverträgen aussteigen will? Einiges ist noch unklar. „Wir sind aber, vielleicht ein bisschen naiv, bereit das Risiko einzugehen“, ist man sich einig. Denn: „Jede Scheiße hat auch immer seine positive Seite“, lacht Klaus.

„Ich finde es gut, aus der Haustür zu kommen und meinen Nachbarn zu sehen.“

Das gesamte Grundstück am Rande des Biosphärenreservats umfasst 16.000 qm. Im ersten Bauabschnitt wurden zwei Doppelhäuser und drei Einzelhäuser errichtet. Die Gebäude stehen in einem Halbkreis um ein Gemeinschaftshaus angeordnet. So ist ein Ort der Kommunikation entstanden. „Wer sich auf eine der Bänke in der Dorfmitte setzt, ist nicht lange allein“, erzählt Klaus. „Ich finde es gut aus der Haustür zu kommen und meinen Nachbarn zu sehen“, freut sich Fokko. Zu den unterschiedlichen Nachbar*innen haben sich ganz unterschiedliche Verhältnisse aus Nähe und Abstand aufgebaut.

Von den Bewohner*innen wurde als Basis für das Gemeinwesen der Siedlung ein Statut erarbeitet. Eine gute nachbarschaftliche Beziehungen wird „angestrebt“, heißt es offiziell. Jede*r gibt soviel in die Gemeinschaft, wie er oder sie kann. Regelmäßig finden gemeinsame Feste oder Projekte statt, es gibt Gästezimmer, Waschküche und eine Sauna für alle. Vieles ist freiwillig, doch die finanzielle Anteilnahme am geplanten Bau eines Gemeinschaftsraums oder am Trecker zum Mähen der Grasflächen wird schon mit dem Grundstückskauf vorausgesetzt. Wer seine Ruhe sucht, der findet sie in seinem eigenen Garten. Mit der Haustür fängt das Private an, dessen Beachtung allen wichtig ist. Bewusst wurden die Grundstücke so zueinander ausgerichtet, dass auch jeder und jede ihre Privatsphäre findet. Wer Kontakt will, der klingelt beim Nachbarn.

„Ich hoffe, dass ich noch im Rollstuhl hier herumfahren kann.“

Hinter der Haustür ist es sofort gemütlich in dem relativ kleinen, lehmverputzten Strohballenhaus. Es ist alles durchdacht, die Türen breit genug für Rollstühle und mit Rampen versehen, barrierefrei. Gibt es Treppen im Haus sind sie großzügig genug um einen Lifter einzubauen. Die Einrichtung sieht vor, dass das Leben auch nur im Erdgeschoss stattfinden könnte. Man sei heute am Ende eines Prozesses, aber immer auch am Anfang neuer Projekte, schmunzeln die beiden Rentner. Hier wird auf vielen Ebenen Pionierarbeit geleistet. Individuelle Bedürfnisse stehen dabei im Vordergrund.

Ein Bauplatz im ersten Bauabschnitt ist noch frei. Wer hier künftig wohnen möchte, der kauft ein Baugrundstück von ca. 350 bis 1000 qm. Die übrigen Bereiche sind Gemeinschaftsfläche. Wer mehr Garten möchte, kann die Fläche beantragen – wird sie nicht mehr benötigt, gibt man sie an die Gemeinschaft zurück. Für den Bau selbst gibt es zwar nur relativ geringe Vorgaben wie einen möglichst hohen Holzanteil der Fassade, eine bestimmte Gebäudegröße sollte auch nicht überschritten werden und die Dachziegel rot sein. Vor allem sollen aber regionale Ressourcen und Öko-Baustoffe ausgewählt werden. Es werden mindestens die Standards des Niedrigenergiehauses angesetzt. Die Nutzung alternativer Energien ist Standard. So wird der erste Bauabschnitt zum Beispiel mit Fernwärme aus einer Biogasanlage beheizt.

Den bürokratischen Überbau der Gemeinschaft bildet die „Buchhorst-Garten-Verwaltungs-GbR“. Hier werden das Gemeinschaftskonto verwaltet, Haushaltspläne ausgearbeitet, Nebenkosten abgerechnet, Energie für alle eingekauft, Grundsteuern bezahlt. „Was das alles soll“, mit Blick auf das gemeinschaftliche Wohnen findet sich dann auch in den Verträgen wieder, die für einen Hausbau mit der „Verwaltungs-GbR“ und der „Entwicklungs-GbR“ abgeschlossen werden.

Um mit allen im Gespräch zu bleiben, findet alle sechs Wochen die „Buchhorst-Runde“ statt. Zukunfts-Projekte hat die Gruppe ausreichende: Ein Gemeinschaftsraum soll gebaut werden. Alle werden helfen soviel sie können, dass Strohballhaus zu errichten. So ein Projekt sei für eine Gruppe doch „das Schönste was es gibt“. Mittelfristig soll auch noch eine kleine Pflegeeinrichtung entstehen, in 15 bis 20 Jahren eine eigenständige medizinische Infrastruktur. Zur Zeit wird an einem Ferienhaus gearbeitet, wenn die Kinder und Enkelkinder zu Besuch kommen.

Interessent*innen kommen öfter in den Buchhorst Garten. Einerseits ist es sehr schön, mit den in der Regel sehr netten Menschen Zeit zu verbringen, mit ihnen Kaffee zu trinken oder gemeinsam zu essen. Doch darin verbirgt sich auch eine Herausforderung: „Wie kommuniziere ich meinem Gegenüber, dass wir uns diese Zeit nicht immer nehmen können und wollen?“ Klaus und Fokko haben gelernt, dass Interessen*innen vor einer Kaufentscheidung das Wendland auch mal allein im trüben, nebligen Herbst erleben müssen – und eben nicht nur während der wunderschönen Kulturelle Landpartie.

Es gibt noch ein freies Grundstück. Weitere Informationen zu den Rahmenbedingungen, Probewohnen und Kontakt: www.buchhorst-garten.de

Text und Fotos: Kina und Jan Becker